
Gimbri – Die rhythmische Seele der Gnawa-Musik
- Herkunft: Nordafrika – vor allem Marokko, Algerien, Tunesien und Mali
- Instrumententyp: Saiteninstrument / gezupfte Basslaute
- Bauweise: Ausgehöhlter Holzkorpus, mit Kamel- oder Ziegenhaut bespannt; langer Holzgriff; drei Saiten aus Ziegen- oder Nylonfaser
- Stimmung & Tonumfang: Tiefer, druckvoller Bassklang; meist auf Quarten gestimmt
- Spielweise: Gezupft mit Daumen und Zeigefinger – oft kombiniert mit perkussivem Schlagen auf den Korpus
- Bekannte Musiker: Mahmoud Guinia, Hamid El Kasri, Majid Bekkas, Ahmed Baqbou
Der Herzschlag der Gnawa: Wenn Spiritualität und Groove verschmelzen
Tiefer Bass, tranceartige Rhythmen und mystische Energie – das ist der Sound der Gimbri, auch bekannt als Guembri, Sintir oder Hajhouj. Dieses dreisaitige Instrument ist das rhythmische Fundament der Gnawa-Musik, der Sound einer jahrhundertealten marokkanischen Musikbewegung, die Spiritualität tanzen lässt.
Ihr Klang ist erdig, vibrierend und hypnotisch – irgendwo zwischen Bass, Banjo und Herzschlag. Wenn der Maâlem, der Meister der Gnawa, die Gimbri spielt, entfaltet sich mehr als nur Musik: eine Verbindung zwischen Mensch, Rhythmus und Geist.
Heute erklingt der tiefe Groove der Gimbri nicht mehr nur bei rituellen Nächten (den sogenannten Lila), sondern auch auf internationalen Bühnen – von Essaouira bis Berlin, von Jazzfestivals bis elektronischer Weltmusik. Künstler wie Majid Bekkas oder Hamid El Kasri bringen den traditionellen Sound in die Gegenwart und zeigen, dass Spiritualität auch grooven kann.
Ursprung und Geschichte
Die Geschichte der Gimbri beginnt in den südlichen Regionen der Sahara – bei den Nachfahren westafrikanischer Völker, die im Laufe der Jahrhunderte nach Nordafrika gelangten. Mit ihnen reisten Rhythmen, Gesänge und Instrumente, darunter die Ngoni, die als Vorläufer der Gimbri gilt.
In Marokko entwickelte sich daraus die typische Gnawa-Tradition: eine Musikrichtung, die Spiritualität, Heilung und kollektive Trance vereint. Die Gimbri wurde zum Zentrum dieser rituellen Zeremonien – als Instrument des Maâlem, der die Gemeinschaft durch Musik in Ekstase führt.
Mit jeder Note erinnert die Gimbri an die afrikanischen Wurzeln der Gnawa und erzählt Geschichten von Freiheit, Heilung und Identität. Ihre Schwingungen sind nicht nur akustisch, sondern auch symbolisch – sie verbinden die spirituelle Tiefe Afrikas mit der vibrierenden Lebensfreude des Maghreb.
Bauweise und Klang
Die Gimbri ist ein wahres Kunstwerk aus Natur und Handwerk. Der Resonanzkörper wird aus einem massiven Stück Holz geschnitzt – meist in Boot- oder Kastenform – und mit Kamel- oder Ziegenhaut bespannt. Diese Haut wirkt wie die Membran eines Banjos und verleiht dem Instrument seinen warmen, trockenen Klang.
Der lange Hals besteht aus einem einfachen, runden Holzstab, der durch den Korpus verläuft. Drei Saiten – ursprünglich aus Ziegendarm, heute oft aus Nylon oder Angelschnur – werden mit Lederschlaufen gespannt. Diese traditionelle Stimmungsmethode ist empfindlich gegenüber Luftfeuchtigkeit, was dem Instrument jedoch seinen charakteristischen „lebendigen“ Klang verleiht.
Besonders auffällig: Am oberen Ende des Halses hängen kleine Metallringe, die beim Spielen mitschwingen und ein feines, rhythmisches „Schnarren“ erzeugen – ein akustisches Markenzeichen der Gimbri. So entsteht ein Sound, der Bass, Percussion und Melodie in sich vereint – roh, erdig und faszinierend dynamisch.

Spielweise und Stil
Gezupft wird die Gimbri mit dem Daumen und der Innenseite des Zeigefingers, während die Hand gleichzeitig rhythmisch auf die Haut schlägt. Diese einzigartige Technik erzeugt einen treibenden, perkussiven Sound, der sowohl die Melodie als auch den Beat liefert.
Die tiefe Saite dient meist als Drone – ein gleichbleibender Basston, der den tranceartigen Charakter der Musik trägt. Die beiden anderen Saiten werden melodisch gespielt oder rhythmisch betont.
In einer typischen Gnawa-Band wird die Gimbri begleitet von Qraqeb, den metallischen Kastagnetten, und einer großen Trommel, der Tbel. Zusammen entsteht ein hypnotischer Groove, der Körper und Geist in Schwingung bringt – Musik, die nicht nur gehört, sondern gefühlt wird.
Tradition trifft Moderne
Heute erlebt die Gimbri eine beeindruckende Renaissance. Während sie in den traditionellen Zeremonien weiterhin spirituelle Bedeutung behält, hat sie längst ihren Weg in die Weltmusik und Jazz-Szene gefunden.
Künstler wie Majid Bekkas mischen ihren Klang mit E-Gitarre, Saxophon oder elektronischen Beats – eine Fusion, die sowohl in Marokko als auch international begeistert. Auf Festivals wie dem Gnawa and World Music Festival in Essaouira steht die Gimbri heute im Zentrum einer Bewegung, die zeigt, wie afrikanisches Erbe moderne Musik inspirieren kann.
Ihrer tiefer, pulsierender Bass findet sich auch in elektronischen Produktionen wieder – etwa in Crossover-Projekten zwischen Gnawa und House, Jazz oder Dub. So wird das einst rituelle Instrument zum Symbol einer neuen globalen Klangkultur.
Moderne Fusion & Weltmusik
Hier verschmelzen Gnawa-Tradition und Gimbri-Groove mit Jazz, Funk, Blues oder Elektronik.
Majid Bekkas – “African Gnaoua Blues” (2001)
Ein faszinierendes Crossover aus marokkanischer Gnawa-Musik, Blues und afrikanischen Grooves. Der Gimbiri trifft auf E-Gitarre und Saxophon – absolut empfehlenswert!Majid Bekkas, Joachim Kühn & Ramon Lopez – “Out of the Desert” (2010)
Weltmusik trifft auf modernen Jazz. Der Gimbiri sorgt für den erdigen Bass, während Piano und Percussion neue Räume öffnen.Gnawa Diffusion – “Souk System” (2003)
Eine der bekanntesten modernen Gnawa-Bands. Mischen Reggae, Rock und Rai mit den tiefen, hypnotischen Rhythmen des Gimbiri – rebellisch, politisch und tanzbar.Hoba Hoba Spirit – “Trabando” (2007)
Marokkanische Fusion mit urbanem Touch. Gimbiri, Funkgitarren und arabischer Gesang – ein Sound zwischen Casablanca und globalem Groove.Electric Jalaba – “El Hal / The Feeling” (2021)
Eine britisch-marokkanische Band, die Gnawa mit elektronischem Sound, Bass und psychedelischen Effekten verbindet. Der Gimbiri pulsiert hier wie ein elektronischer Bass.Maâlem Houssam Guinia & Floating Points – “Mimoun Marhaba” (2015)
Eine moderne Interpretation, in der elektronische Musik und traditionelle Gnawa-Klänge in hypnotischen Schichten verschmelzen.Bab L’ Bluz – “Nayda!” (2020)
Eine junge marokkanisch-französische Band, die traditionelle Instrumente wie Gimbiri und Guembri in modernen Rock- und Funk-Kontext setzt. Eine neue Generation Gnawa-Sound!

Symbolik und Bedeutung
Das Instrument steht für mehr als Musik – es ist ein Symbol für Verbindung, Heilung und Identität.
In der Gnawa-Tradition verkörpert es den Herzschlag der Erde. Seine Haut steht für das Tierreich, das Holz für die Natur, die Saiten für den Menschen – und die vibrierenden Ringe für die unsichtbare Welt der Geister.
In den nächtlichen Lila-Zeremonien führt der Maâlem mit der Gimbri die Gläubigen in tranceartige Zustände, in denen Musik zu einem Tor zwischen den Welten wird – eine uralte Form von Musiktherapie, die bis heute überlebt hat.
Die Seele Marokkos in drei Saiten
Die Gimbri vibriert wie ein Herzschlag aus der Tiefe der Wüste – rau, ehrlich und voller Seele. Jeder Ton erzählt von Jahrhunderten an Geschichte, von Ritualen und Begegnungen. Heute lässt sie nicht nur die Gnawa tanzen, sondern inspiriert Musiker weltweit, neue Klangräume zu schaffen. Ein Instrument, das verbindet – zwischen Afrika, Europa und der Welt.
* Titelbild: Foto: © Lars Curfs, Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 3.0 NL
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